Der Regen hatte kurzzeitig nachgelassen. Ich fuhr weiter die D-965 entlang als das Navi mich in Beine auf die D-524 schickte. Ich Trottel folgte, gutgläubig wie ich nun einmal war, der vorgeschlagenen Route und fand mich inmitten von Weinbergen wieder. Steil aufwärts schiebend, abwärts bei starkem Gegenwind tretend, fluchte ich was das Zeug hielt. Ich hatte auch sogleich den Schuldigen ausgemacht. Der Teufel wollte mir ein Schnippchen schlagen und mich mit aller Gewalt daran hindern, jemals in Auxerre anzukommen. Nach mehr als 2 Stunden, hatte ich aufgrund krasser Sturmböen die mir den Regen ins Gesicht peitschten und mich an die Grenzen meiner Kräfte brachten, jeglichen Kampfgeist verloren und ich versprach aufzugeben und meine Mission unverrichtet abzubrechen. Mein Wille war nun endgültig gebrochen, aber das reichte Luzifer bei Weitem noch nicht. Er hatte sich die übelste Überraschung für den Schluss aufgespart. Circa 5 Kilometer vor Auxerre lotste mich das Navi über einen Feldweg der aus Schotter und Schlamm bestand. Durch den anhaltenden Regen säumten zuhauf vorhandene Pfützen das unbefestigte Sträßchen. Der Dreck spritzte nur noch so um sich. Vom Vorderrad auf mich, vom Hinterrad auf die Satteltaschen und innerhalb kürzester Zeit sahen der Silver Surfer und ich aus wie John Rambo in Rambo II. Vielleicht kennt der ein oder andere die Szene in der der Vietnamveteran in einem Schlammloch gefangen gehalten wird… Wenn ich sagen würde, dass meine Laune auf dem absoluten Nullpunkt angekommen war, wäre das untertrieben. Sie war im zweistelligen Minusbereich angelangt, was aber mittlerweile auch egal war. Morgen würde ich mit dem Zug nach Hause fahren und dem Martyrium endlich ein Ende setzen. Was für eine Schnapsidee, nach Santiago de Compostela fahren zu wollen, um Martina und mir selbst was zu beweisen. Ich wollte nun nur noch ein Hotel finden, duschen, etwas essen und die Segel streichen.

 

Schließlich fand ich wieder festen Boden unter den Reifen und rollte wie ein geschlagener Hund und mit Tränen in den Augen in Auxerre ein. Mit hängendem Kopf, gedemütigt und verdreckt fuhr ich in der Hauptstadt des Departments Yonne herum und versuchte eine Unterkunft ausfindig zu machen. Das Navigationssystem schlug diverse Hotels vor, die entweder nicht mehr existent oder aber zu teuer waren. Nachdem ich zum fünften Mal über den gleichen Kreisel gefahren war, hatte ich die Faxen dicke und schlug eine komplett andere Richtung ein. Ich schiss einen großen Haufen auf den GPS-Empfänger, auf Auxerre, Mr. Satan und auf die blödeste Idee, die ich jemals hatte. Von nun an würde ich, wie ein Indianer, einfach meiner Nase folgen. Ich fand sowieso, dass Navigationsgeräte vollkommen überbewertet werden…!

 

Ich kam zu einer Baustelle und weil ich keine Lust hatte zu wenden, radelte ich verbotenerweise einfach hindurch und siehe da: Die Indianertaktik stellte sich als äußerst effektiv heraus. Ich fand in der Innenstadt ein hübsches Hotel namens Le Saignelay, das zwar nicht ganz billig aussah, was mir aber längst egal war. Hauptsache ich hatte ein Dach über dem Kopf. Die einzige Frage war, ob ich überhaupt Zutritt gewährt bekommen würde, da der angetrocknete Schlamm unübersehbar an meiner Kleidung haftete. Ich stellte mein Rad hinter dem großen offenen Holztor ab, das den Innenhof von der Straße abgrenzte, öffnete die Eingangstür hinter der sich direkt die Rezeption befand und fragte, auf meinen optischen Zustand hinweisend, vorsichtig nach einem Zimmer für eine Nacht. Ich erhielt ohne Probleme ein Einzelzimmer und machte mich daran, das Rad im Hinterhof auf dem mir zugewiesenen Parkplatz abzustellen, die Satteltaschen leer zu machen und in meine Suite zu bringen als mein Handy schellte…